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Survivor Storys

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Terroristen sind nach Sderot eingedrungen, in andere Siedlungen, Massenmord!

  • Noa B.'s story

Als es ihnen nicht gelang, die Tür zu öffnen, legten sie einen Brand im Haus

Am Schabbat um 6 Uhr morgens flog die Tür in der oberen Etage, wo ich und mein Bruder Ori geschlafen haben, von einem enormen Knall auf. “Willst du runter in den Schutzraum?”, fragte mich Ori. “Klingt nach Angriffen von uns”. So dachten wir beide. Ich schloss die Gittertür der oberen Etage nachlässig mit der Plastikverriegelung der Gittertür und ging im Pyjama (und meiner legendären Wasserflasche - wer mich kennt, weiß Bescheid) runter, glücklicherweise zog ich Sandalen an. Meine Tasche blieb oben, mit meinem Goldschmuck, den Schlüsseln, dem Portemonnaie, Dokumenten, Fotos und Andenken, die ich überall hin mitnehme.


Zuerst gab es ein paar Detonationen, und wir wurden gebeten, im Schutzraum zu bleiben. Nach den ersten Explosionen schaffte Mama sogar noch einen Kaffee und eine Zigarette. Unsere Hündin Luna wollte nicht in den Schutzraum, als die Sirenen zum zweiten Mal losgingen.


Ich kauerte in Embryostellung, allmählich bedeckte sich mein Körper mit Urin, Tränen und Schweiß.

Die Nachricht, dass Terroristen in die Siedlung eingedrungen waren, erreichte uns drin [im Schutzraum, Anm. d. Übers.]. Wir schlossen die Tür hermetisch und mit Hochstellen des Griffes ab, und mein genialer Bruder verbarrikadierte die Tür mit einer kleinen Kommode.


Kurz darauf hörten wir in der oberen Etage Schreie auf Arabisch, und etwas später “Allahu Akbar” vor dem Fenster des Schutzraums. Mein Bruder meinte, wir sollten das Klavier vor die Schutzraumtür schieben.


Ich fasse mich kurz, um nicht ins Flashback abzurutschen - die Terroristen versuchten, ins Haus zu kommen und traten gegen die abgeschlossene Haustür, und als ihnen das nicht gelang, haben sie irgendwie die Hauswand gesprengt und sind durch das Badezimmer reingekommen. (Handgranate? Eingetreten? Panzerfaust? Keine Ahnung, das sind die Nachteile, wenn man nichts sieht und alles nur hört).


Zu der Zeit bat ich jeden, der irgendwie kann, Hilfe zu schicken, in der Kibbutzgruppe, Freunde, einen einflussreichen Verwandten, er soll Hilfe schicken. “Sie sind im Haus. Helft uns, schickt Hilfe.” Beim Schreiben erinnere ich mich an das Zittern, ich konnte an nichts anderes denken, als hier rauszukommen und dass man uns rettet.


Die Terroristen traten gegen die Tür des Schutzraums, und als wir keinen Laut von uns gaben, schossen sie auf die Tür. Ich versteckte mich unter dem Klavier, Mama auf dem Bett, mein Bruder zwischen Klavier und Wand. Ich kauerte in Embryostellung, allmählich bedeckte sich mein Körper mit Urin, Tränen und Schweiß.


Sie werden uns umbringen. Sie schießen auf uns. Ich werde sterben.


Als es ihnen nicht gelang, die Tür zu öffnen, legten sie einen Brand im Haus. Der Rauch drang allmählich in den Schutzraum. Wir befeuchteten Gazestreifen und pressten sie gegen das Gesicht. Später legten wir nasse T-Shirts auf das Gesicht, und mein Bruder brachte auch ein nasses T-Shirt an der Belüftungsöffnung an.

Der Schutzraum füllt sich mit Rauch und ich kriege eine Panikattacke, wegen meiner Mutter, wegen mir, wegen der Situation. Wir werden hier sterben.


“Möchtest du hier raus?”, fragt mein Bruder flüsternd, während die Terroristen jenseits der Wand sind. “Dass wir aus dem Schutzraum rausgehen?”


“Nein. Ich möchte leben. Wenn wir hier rausgehen, werden sie uns nach Gaza verschleppen, mich vergewaltigen und uns alle abschlachten.”


Die Erkenntnis, dass ich leben will. Der Einfallsreichtum meines Bruders. Die Ruhe, die meine Mutter stundenlang bewahrte. Sie haben uns gerettet.


Der Akku meines Handys war kurz nach 11 Uhr leer. Ungefähr kurz nach 12 Uhr sprengten sie die Wand zur Dusche und drangen ein.


Stundenlang gingen sie brüllend ein und aus, schießen auf den Schutzraum, auf die Hauswände, auf das Fenster des Schutzraums.


Schlagen das Haus kurz und klein, plündern, brüllen auf Arabisch, hören Musik, lachen und verfluchen uns.


Diese verf…en Hurensöhne fühlten sich in m-e-i-n-e-m Haus wie zuhause.


Sie stöberten in den Spielen meiner Neffen herum, machten das ganze Haus kaputt und legten einen Brand.


Alles verbrannt, zerbrochen, in Flammen stehend. Das Auto meines Vaters, das neben dem Panzer stand, der uns Deckung gab, als wir mit der Kampfeinheit, die uns schützte, flohen, war voller Blutspritzer.

Innerhalb von zwei Stunden legten sie das Haus in Schutt und Asche und niemand kam, um uns zu retten.


Um 15:00 Uhr hörte man die ersten Feuergefechte zwischen unseren Einsatzkräften und den Terroristen. Wir hörten einen hebräischen Namen, als unsere Streitkräfte eine Schlachtordnung um das Haus bildeten, “Ya’akov, Ya’akov!”, und das war die erste Stimme auf Hebräisch, die wir seit 6 Uhr morgens hörten, die nicht aus dem Schutzraum kam .


Nach zweieinhalb Stunden Feuergefecht, derweil die Terroristen das Haus betreten und verlassen, hörten wir Stimmen auf Hebräisch und lautes Klopfen an der Haustür. “Hier ist ein Hund! Hier ist ein Hund!”, brüllen sie, als sie Luna im Haus sehen. Wir hätten sie nicht in den Schutzraum holen können, ohne dass sie uns ermordet hätten, ermahne ich mich, um meine Schuldgefühle zu besänftigen.


“Ist hier jemand?”, brüllt eine Stimme auf Hebräisch. Mein Bruder Ori bat ihn, sich auszuweisen.


“Ich bin Sergeant Almog E. von [Einheit, Anm. d. Ü.] 932. Ich bin hier, um euch rauszuholen. Ich bin mit meiner Mannschaft hier. Ist da jemand?”


Wir schrien so laut wir konnten, dass wir hier sind. Durch den Schutzraum konnten sie uns nicht befreien, daher haben sie uns durch das Fenster herausgeholt.


Was ich sah, als ich da rauskam, werde ich mein Lebtag nicht vergessen.


Die Häuser um uns herum stehen in Flammen, unser Haus ist nass vom Löschwasser.


Der Sonnenuntergang war wunderschön, wie immer im Kibbuz - aber die schöne Umgebung bei meiner Mutter sah aus wie ein Schlachtfeld im Irak.


Alles verbrannt, zerbrochen, in Flammen stehend. Das Auto meines Vaters, das neben dem Panzer stand, der uns Deckung gab, als wir mit der Kampfeinheit, die uns schützte, flohen, war voller Blutspritzer.


Wir wurden erst in einen Schutzraum gebracht, dann zum Sammelplatz, und dann nach Tel Aviv - wobei unser Autobus bei Alumim noch beschossen wurde, als er in ein Feuergefecht mit einer Gruppe von Terroristen kam, und dann weiter nach Tel Aviv fuhr.


Gestern habe ich herausgefunden, dass anscheinend von den 8 Familien in der Straße - wir eine von dreien sind, die aus dem Inferno gerettet werden konnten.


Das ist die Niederschrift meiner Erinnerungen zum Andenken an die im Kibbuz Be’eri beim Massaker Ermordeten, ein Gebet für die Verschleppten und die Vermissten und die Verletzten.


Ich kenne noch nicht alle Namen der Vermissten, der Verschleppten und der Toten. Sie tauchen allmählich auf, und das Herz verbrennt, gemeinsam mit unserem Haus und dem, was einmal der schöne und gepflegte Kibbutz war.


In den ersten beiden Tagen hatte ich krasse Wellen von Flashbacks und körperliche Schmerzen - diesem Teufelskreis bin ich dank einer Not-EMDR-Behandlung entkommen, die als sofort verfügbare Erstbehandlung bei Trauma- und Posttraumapatienten zum Einsatz kommt. Wer immer kann, möge sich noch heute an psychologische Hilfe wenden, das ist lebensrettend und hat mich aus Tagen psychischer und physischer Hölle befreit.


Ich beantworte derzeit keine Telefonanrufe, falls jemand reden oder auf etwas reagieren möchte, bin ich über Whatsapp erreichbar, und wenn ich die seelische Kraft aufbringe, melde ich mich mit einer Nachricht oder einem Anruf zurück, ok?


Gelobt sei der, der Gefangene auslöst. Und möge alles bald enden, Amen. Passt auf euch auf - umarmt die Menschen, die ihr liebt und kümmert euch um euch selbst. Unsere Kraft liegt in unserer Einigkeit, und wir werden diese Scheiße schon hinter uns bringen! Gemeinsam werden wir siegen.


Noa B.

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