Ich weiß überhaupt nicht, wie ich beginnen soll, wie ich das in Worte fassen soll. Aber ich werde es einfach rauslassen, denn das ist mir wichtig. Denn wenn ich nicht darüber spreche, es schreibe und heraus schreie, könnte ich verrückt werden.
Wir sind Freitag Abend aufgebrochen und wie immer, wenn wir unterwegs sind, haben wir Spaß gehabt, gelacht, getanzt, einander umarmt und die schöne Welt genossen, die wir sehen.
Bumm, bumm, bumm.
Ja, plötzlich hat sich alles geändert, ist zu einem einzigen großen Bumm geworden. Keiner versteht, was los ist, außer dass sich in der Luft Raketen befinden.
Wir quetschen uns also so schnell wie möglich in die Autos, bewegen uns in Richtung Ausfahrt und dann… Ein einziger Stau. Niemand weiß, was wirklich los ist, was links und rechts von uns, vor und hinter uns geschieht und wir bleiben stehen. Ein paar von uns sind in den Fahrzeugen, ein Teil außerhalb der Fahrzeuge und wir versuchen zu erkennen, was los ist.
Es vergehen 20 Minuten, bis ein Polizeioffizier an uns vorbeiläuft und schreit „Lauft in die Felder, alle sollen laufen, da sind Terroristen“. Und so laufen, rennen wir alle, wir wissen nicht wohin, laufen einfach nur, richtungslos, ohne darüber nachzudenken, laufen einfach… Wir laufen jetzt, verstehen aber nicht wirklich, was tatsächlich passiert, bis man das Pfeifen von Kugeln über dem Kopf und neben dem Ohr hört.
Auf unseren Gesichtern macht sich Fassungslosigkeit breit und wir laufen wieder, laufen und laufen… Ein Teil von uns stoppt, kann nicht mehr weiter, versteckt sich, erstarrt an Ort und Stelle… Wir alle laufen weiter, laufen und man kann nicht denken, was sollen all die Leute? Was geschieht überhaupt hinter einem? Man bleibt für ein paar Minuten stehen, sucht nach Antworten, nach den nächsten Schritten.
Wir laufen eine halbe Stunde um unser Leben, atmen eine Minute lang durch, sprechen miteinander, wissen nicht, was nun… Wo ist das Militär, wo die Polizei? Wer führt uns an, wo sind Einsatzkräfte, die uns helfen? irgendetwas… Bumm, noch eine Salve von Schüssen, und bumm, wir laufen wieder ins Unbekannte, wir laufen nur, laufen, laufen, gehen und laufen wieder.
Und diese ganze Zeit lang weiß man immer noch nicht, was wirklich los ist, denn man will sich selbst retten, steht unter Adrenalin. Man denkt an gar nichts, fühlt nichts, man läuft nur, mehr nicht.
Nach ca. 15 km im Gelände haben wir uns einem sichereren Ort genähert, dem Moshav Patish (Moshav = kleines Dorf), endlich Licht am Ende des Tunnels. Die Einzigen, die uns an diesem Punkt geholfen haben, waren gutherzige Zivilisten, die uns im gefährlichen Gelände aufgesammelt und zu sich nach Hause gebracht haben, in einen sicheren Hafen, und sich um uns wie um ihre eigenen Kinder gekümmert haben. Ich möchte euch in unser aller Namen danken!
Nicht einmal ansatzweise kann das beschreiben, was wir alle erlebt haben. Mit „alle“ meine ich jeden auf dem Nova Festival und alle Bewohner des Gebiets rund um Gaza, der Kibbuzim und der Umgebung. Das ist zumindest meine Ansicht.
Gott sei Dank bin ich OK, gesund und heil, ich bin unverletzt nach Hause gekommen. Aber Freunden, Bekannten, geliebten Menschen, Freiwilligen, ist es nicht gelungen, heil nach Hause zu kommen. Das ist ein Tag der Trauer, ein Tag der vollkommen… Mir fehlen die Worte, um das auszudrücken.
Erst im Autobus, vom Moshav Patish auf dem Weg nach Beer Sheva, nach Hause, nach dem Albtraum, der hinter uns lag, erst da beginne ich zu verstehen, dass ich an einem anderen, einem vollkommen anderen Ort sein könnte. Bis jetzt habe ich es noch nicht wirklich verarbeitet. Ich versuche zu verstehen, was wir, was ich selbst, dort durchgemacht habe. Das wird seine Zeit brauchen, da bin ich sicher.
Ich trauere um all jene, denen die Rückkehr nicht gelungen ist, die umgekommen sind, die kaltblütig ermordet wurden.
Und all jenen, die verschleppt wurden, die vermisst werden, wünsche ich, dass sie so schnell wie möglich heil nach Hause kommen!!! Amen!!
Ich bete für gute Neuigkeiten und bessere Tage. Amen!
Das ist mein Augenzeugenbericht des Albtraums, den ich am 7.10.2023 erlebt habe.
Und ihr, all unsere geschätzten und starken Soldaten, gebt auf euch Acht!
Yarin H.